Aktualisiert am 28. April 2019 von Karin Schwaer

Männer wollen gewinnen – Frauen wollen kooperieren: 50 % und mehr sind stereotype Situationen!

Jede Situation ist individuell im jeweiligen beruflichen Kontext zu betrachten. Dennoch können die nachfolgenden Aussagen und Erkenntnisse helfen, die Lage zu reflektieren. 

Sie sind für Frauen und Männer gleichermaßen relevant, da vieles tief gesellschaftlich verankert und dadurch häufig auch unbewusst ist.

Tradierte Rollenbilder:

  • Es wird uns früh beigebracht, dass Mädchen nett und empathisch zu sein haben und Jungs sich durchsetzen müssen.
  • Von Frauen wird erwartet, dass sie sich entgegenkommend und kooperativ zeigen. Es erfolgt  automatisch eine Anpassung an das gesellschaftliche Rollenverständnis.
  • Von Männern wird selbstbewusstes Auftreten erwartet. Hier wird unterstellt, dass, wenn sie schon für sich selbst nicht verhandeln, sie es auch nicht fürs Unternehmen tun.
  • Männer lassen sich von vorneherein „ihr Potential“ bezahlen. Unternehmen präferieren möglicherweise männliche Kandidaten, da das „Risiko, dass diese wegen Familienplanung ausfallen“ geringer ist.
  • Schon beim Berufseinstieg erzielen Frauen im Rahmen der Gehaltsverhandlungen häufig schlechtere Ergebnisse als Männer. Das zieht sich dann durch das gesamte Erwerbsleben und summiert sich schnell auf 6-stellige Beträge.

Typisch Frau:

  • Für Frauen sind es zwei völlig getrennte Paar Schuhe, ob sie für sich selbst oder für andere verhandeln.
  • Frauen verhandeln häufig ungern, wenn es darum geht, die eigenen Interessen zu verfolgen.
  • Frauen haben Bedenken, dass es ihnen übel genommen wird, nach „mehr“ zu fragen. Sie wollen gemocht und als freundlich und zuvorkommend wahrgenommen werden.
  • Frauen haben Angst vor „Sanktionen“, wenn sie zu forsch auftreten.
  • Frauen legen den Fokus eher auf die Beziehung als auf das Verhandlungsziel.

Typisch Mann:

  • Männer sind möglicherweise auch besser „vernetzt“ und haben informellen Zugang zu Informationen in bezug darauf, was überhaupt verhandelbar ist.
  • Männliche Verhaltensweisen zu kopieren ist für Frauen nicht zielführend: auch Dominanz, Arroganz oder Anspruchsdenken werden Frauen schnell übel genommen.

Frauen und Männer im Vergleich:

  • Frauen nehmen es schnell „persönlich“. Dadurch gehen sie schon nervös in die Verhandlung und stecken „Misserfolge“ nur schwer weg. Männer betrachten Verhandlungen gerne als Wettbewerb, also mit einer kompetitiven Haltung. Sie sehen es „sportlich“ und versuchen es einfach immer wieder.
  • Frauen verhandeln daher weniger oder zumindest zögerlicher als Männer für sich selbst. Verhandlungssituationen müssen aber erkannt oder aktiv herbeigeführt und genutzt werden.
  • Frauen verhandeln häufig besser als Männer, wenn es darum geht, die Interessen einer anderen Partei zu verfolgen. Männer zeigen hier kaum Unterschiede.
  • Frauen verhandeln eher auf die Interessen des Gegenübers bedacht, also kooperativer, emphatischer und nachhaltiger.
  • Die Höhe des als „gerecht“ empfundenen Einkommens liegt bei Frauen deutlich tiefer als bei Männern. Sie fordern von vorneherein weniger. Sie glauben, erst einmal etwas leisten zu müssen, bevor sie Forderungen stellen können.
  • Gerade deswegen ist es für Frauen umso wichtiger, niedrigere Einstiegsgehälter „on the job“ so schnell wie möglich zu korrigieren.

 

Die Liste könnte noch um etliche Punkte ergänzt werden. Und wenn man das liest, könnte der erste Gedanke auch durchaus sein: „Das ist doch alles aus dem letzten Jahrhundert!“ 

Doch „was nicht sein darf, das nicht sein kann“ bringt uns nicht weiter. 

Es ist einfach notwendig, sich klar zu machen, dass noch immer vieles in unserem Arbeitsleben auf tradierte Rollenbilder zurückzuführen ist. Denn was uns nicht bewusst ist, werden wir nicht ändern. 

Es war lange so, dass Männer die „Ernährer“ waren und das Einkommen berufstätiger Frauen eher als „zusätzliches Taschengeld“ betrachtet wurde. Es wurde einfach nicht als gleichwertig betrachtet. 

Das funktioniert aber nicht mehr. Frauen müssen dafür sorgen, dass sie wirtschaftlich unabhängig werden. Eine Ehe ist keine Versorgungsgarantie mehr. Die heutige Gesetzeslage lässt sie im Falle des Scheiterns nicht mehr abgesichert zurück. 

Frauen haben es mittlerweile geschafft, das Bildungsdefizit zu schließen, und das häufig mit besseren Abschlüssen als Männer sie erzielen. 

Das ist allerdings noch lange kein Garant dafür, dass sie auch automatisch vergleichbare Einkommen erzielen. Hier gibt es Aufholbedarf und das völlig unabhängig von Familienpausen, Teilzeitätigkeiten oder anderen Unterbrechungen, die gerne herangezogen werden, um das „Gender Pay Gap“ kleinzurechnen oder zu erklären. 

Die Berichterstattung über den „Gender Pay Gap“ wird zum Großteil eher gelangweilt als mit Skandalpotential zur Kenntnis genommen. Und das führt möglicherweise dazu, dass sich die Vorstellung, dass weibliche Arbeitskraft günstiger ist als männliche, geradezu zementiert. Der einzige Ausweg ist daher derzeit die individuelle Verhandlung.

Es ist natürlich nach wie vor so, dass eher Frauen Familienpausen einlegen (müssen) als Männer. Doch das gilt nicht für alle. 

Viele gut qualifizierte und im Job erfolgreiche Frauen wollen selbstverständlich arbeiten, sich zielgerichtet engagieren und wirtschaftlich unabhängig sein. 

Der wirtschaftliche Erfolg in Unternehmen ist zwischenzeitlich im „war of talents“ auch vom Bildungsstand und der Mitarbeit von Frauen abhängig. Und immer häufiger wird berichtet, dass Unternehmen, in denen Männer und Frau konstruktiv zusammenarbeiten, erfolgreicher sind. Hier gibt es interessante Publikationen, unter anderem von der AllBright-Stiftung, zu der Sie hier mehr lesen können. 

Unternehmen, die sich der oben aufgeführten Mechanismen bewusst sind, können gezielt gegensteuern und profitieren davon nachhaltig. 

Der argentinische Psychologe und Sozialwissenschaftler Tomas Chamorro-Premuzic (ein Mann!) forscht seit langem zum Thema Persönlichkeit und Führungskraftkompetenzen. Er sagt, dass in unserer Gesellschaft der bei Männern eher als bei Frauen anzutreffende „Hang zur Überheblichkeit“ noch immer mit „Führungskompetenz“ verwechselt würde. 

Im Ergebnis gibt es damit seiner Meinung nach mehr unfähige Männer als kompetente Frauen in Führungspositionen, womit sich die Unternehmen und unsere Gesellschaft selbst schaden. 

Den Entscheidern in Unternehmen muss klar werden: Frauen haben häufig kein Gespür für „männliche politische Machtspielchen“ oder auch einfach keine Lust, sich in einem „männlichen Haifischbecken, das von Selbstbeweihräucherung geprägt ist“, durchzusetzen. Da, wo es für Männer erst anfängt, „Spaß zu machen“, sind Frauen längst „raus“. 

Frauen ticken anders: Sie wollen einfach einen ihrer Qualifikation entsprechenden guten Job machen, in dem sie etwas bewirken und zum Unternehmenserfolg beitragen können.

Und natürlich wollen sie dafür auch adäquat bezahlt und respektiert werden. 

Eine weitere Leseempfehlung für Sie in diesem Blog: Kein Gespür für „männliche Machtspielchen“!? Männer und Frauen im vertikalen und im horizontalen System: Zwei „Sprachen“ bzw. „Welten“ treffen aufeinander.